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Meine Stimme -
Berichte von Singenden
Singen
ist wohl eine der ursprünglichsten Ausdrucksformen des Menschen. Im
Rahmen meiner Forschungen über Stimmumfänge und Singverhalten von
Kindern habe ich unterschiedlichste Menschen nach ihren frühen
Erfahrungen mit Singen und musizieren in Elternhaus und Schule befragt.
Einige haben ihre Erinnerungen schriftlich festgehalten. Ich danke den
Teilnehmern an der Untersuchung, die mir Ihre Texte zur Verfügung
gestellt haben und einer Veröffentlichung zugestimmt haben.
Martina
Vormann
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Meine Stimme und ich
Karl Heinz, 61 Jahre, Lehrer (Deutsch
und Englisch):
"Für meine Mutter war Lärm
primitiv, und primitiv war verachtenswert. Wer sich von den primitiven
Leuten im Dorf abheben wollte, musste leise sein, und abheben wollte
sie sich, sie war ja die Witwe des Lehrers.
Als mein Vater starb, war
ich neun und mein Bruder vier, und meine Mutter blieb unsere einzige
Erzieherin.
Sie hat uns viel Gutes mit
auf den Weg gegeben, aber auch Überempfindlichkeit und Verachtung gegen
Lärm jeder Art: lautes Reden, lautes Lachen, laute Musik, lautes
Türenschlagen, laute Motoren.
Mein Bruder und ich, wir
waren gelehrige Söhne, bis ins Alter. Er ist jetzt Ende fünfzig, ich
über sechzig. All die Jahrzehnte haben wir fast ohne Ton gesprochen,
flach geatmet und uns nur mit großer Anstrengung vor größerem Publikum
hörbar machen können.
Da wir beide Lehrberufe
gewählt hatten, verließen wir die Stätten unseres Wirkens meist heiser
und erschöpft. Wir nahmen das als naturgegeben hin, es kam uns nie in
den Sinn, die Ursache des Übels in der Psyche zu suchen.
Wir sind beide musikalisch.
Mein Bruder ist sogar ein erfolgreicher Komponist und Pianist. Meine
Mutter hat, im Unterschied zu ihren Söhnen immer gern und hübsch
gesungen; sie hat es sicher oft bedauert, dass diese sich nur an
Instrumenten austobten.
Wir zwei flüsternden Männer
waren davon überzeugt, dass wir nicht klangvoll singen können: "Tut mir
leid, Leute, aber meine Stimme ist einfach zu schwach – zwar könnte ich
meist die richtigen Töne treffen, aber hören würde mich nur ein
nachsichtiger Zeitgenosse, der direkt neben mir steht."
Diese Einstellung schob
Erinnerungen an die frühe Kindheit einfach beiseite. Damals nämlich
konnten wir aus unseren kleinen Körpern viel lautere Töne hervorholen
als später, mit unseren achtzig Kilo Erwachsenengewicht.
Als mein Bruder klein war,
vier oder fünf Jahre alt, hatte er eine glockenreine, herzergreifende
Singstimme, so dass Leute, die uns besuchten, ihn immer wieder singen
hören wollten. Ich führte ihn manchmal heimlich in den Garten und bat
ihn, nur mir etwas vorzusingen. Seine schöne Kinderstimme war die erste
Musik, die mich im Innersten ergriff.
Ich selbst hatte als
Dreijähriger ein so durchdringendes Organ, dass, wenn ich auf der
Dorfstraße wie ein Pferd wieherte, meine Mutter im Haus nicht wusste,
ob es ein Tier war oder ihr kleiner Sohn.
Auch erzählt man, dass ich
als Kind oft laut und kräftig sang und akustisch kein bisschen
zimperlich war.
Das verlor sich bald. Schon
in den ersten Schuljahren war meine Singstimme verstummt. Ich erinnere
mich an das starke, hemmende Gefühl, dass die Singstimme etwas ganz
persönliches und Intimes ist, dessen Preisgabe peinlich sein muss. Von
dieser Empfindung bin ich bis heute noch nicht frei.
Im vierten Schuljahr wurden
wir von einer Lehrerin unterrichtet, die in dem Fach Musik ihre
Zensuren nur nach der Qualität des Vorsingens verteilte. Diese Frau war
mein größter Schrecken. Solange es nicht um die Zeugnisnoten ging,
behauptete ich einfach, ich könne nicht singen, und so war man eher
dankbar dafür, dass ich den Mund hielt. Aber der Tag der Wahrheit kam
vor dem Jahreszeugnis. Die Zensuren waren für die Aufnahmeprüfung ins
Gymnasium wichtig. Die Lehrerin ließ der Reihe nach jeden Schüler eine
selbstgewählte Liedstrophe vorsingen. Das gab natürlich manchen Anlass
für Heiterkeit. Unausweichlich kam auch auf mich der entsetzliche
Augenblick der öffentlichen Folter zu. Ich sehe noch heute, wie sich
die Klasse feixend zu mir umdrehte, weil sie aus meiner Kehle nur
rostige Töne erwartete.
Wenn ich heute, nach über
fünfzig Jahren, den Ausdruck "Mut der Verzweiflung" höre, denke ich an
diesen Augenblick. Ich schloss die Augen und sang, was mir gerade in
den Kopf kam, und das war die erste Strophe des Soldatenliedes "Die
blauen Dragoner, sie reiten...“ Ich sang mit einer hohen, klaren
Stimme, vollkommen richtig. Das konnte ich beurteilen.
Die Klasse war stumm, die
Lehrerin schüttelte den Kopf. Sie verstand nicht, warum ich mich so
lange "verstellt" hatte. Ich aber empfand keinen Triumph, sondern nur
Erleichterung.
Das war ein einmaliges,
durch eine Zwangsmaßnahme gefördertes Wiedererwachen meiner an sich
klangvollen Stimme. Danach ging sie endgültig in ihr Versteck. Die
zuständigen Muskeln blieben untätig, die Atemluft erreichte den Bauch
nicht mehr. Von Schulter zu Schulter spannte sich eine unsichtbare
Barriere, die den Kopf rigoros von Rest des Körpers trennte – sozusagen
eine geheime Hinrichtung.
Dies erzeugte natürlich
Pein, besonders in meinem Beruf. Sicher war die große Anstrengung, mit
der ich im Unterricht vernehmbar sprechen musste, ein Grund dafür,
warum ich bald in die Schulverwaltung wechselte.
Ich war schließlich
einundsechzig Jahre alt geworden, als ich wenigstens etwas für meine
Sprechstimme tun wollte. Außerdem wäre mir als neues Mitglied eines
Männerchores – im ersten Bass, mit einer Reichweite von eineinhalb
Oktaven – jede auch nur leichte Verbesserung meines Gesangs
hochwillkommen gewesen.
Meine Schwägerin, selbst
Sängerin (die immer leichte Halsschmerzen bekam, wenn sie mich sprechen
hörte), redete mir gut zu und zerstreute meine Bedenken wegen des
Alters.
An meinem Wohnort wurde mir
eine Sängerin empfohlen, die, wie man sagte, als Gesangpädagogin gute
Erfolge habe und sicher auch meine Sprechwerkzeuge zu klangvolleren
Tönen erziehen werde. Diese Lehrerin machte mir Mut: Im Grunde sei es
nie zu spät, es komme auf die Motivation an. Sie erklärte, es bestehe
zwischen dem Sprechen und dem Singen physiologisch kein grundsätzlicher
Unterschied. Sie schlug vor, Singübungen in den Vordergrund zu stellen,
weil sie mehr Energie und mehr Muskulatur beanspruchen. Jetzt nach
einem dreiviertel Jahr, kommt aus meinem Mund eine Singstimme, die ich
als Erwachsener vorher nie gehört habe. Sie ruht auf einer ganz anderen
physiologischen Grundlage, ist somit wesentlich kräftiger als vorher,
umfasst inzwischen mindestens zweieinhalb Oktaven und entwickelt sich
vom (ursprünglich vermuteten) Bass zum Bariton und vielleicht sogar zum
Tenor.
Natürlich reicht sie nicht
aus, um etwa eine verspätete Sängerlaufbahn zu beginnen, aber im
Vergleich zu den schwächlichen Hauchtönchen, mit denen ich mich fünfzig
Jahre lang glaubte bescheiden zu müssen, ist die Entwicklung meiner
Stimme für mich – aber auch für die meisten meiner Angehörigen – wie
ein Wunder, wie die Auferstehung einer Totgeglaubten.
Gesangsunterricht ist
deshalb für mich in erster Linie Psychotherapie, eine Befreiung von
ängstlichen, selbstauferlegten Schranken. Die Qualität der Stimme ist
dabei nicht so entscheidend. Wichtiger noch als die Übungstechniken
sind für mich die immer wiederkehrenden Anleitungen der Lehrerin, die
darauf zielen, mit voller Energie, mit strahlender Freude und mit
Selbstvertrauen zu singen.
Vor kurzem wurde mir der
prägende Einfluss der Erziehung auf meine Sprech- und Singstimme und
mein fast lebenslanger, bedauerlicher Gehorsam vor den Einstellungen
meiner Mutter noch einmal deutlich bewusst, als nämlich meine
(inzwischen sechsundachtzigjährige) Mutter sehr verächtlich von einem
Mann sprach, den sie nicht leiden kann, "weil er so laut lacht" – und
als sie kommentarlos zuhörte, als ich ihr mit meiner neuen, vorher nie
gehörten Stimme ein Liedchen sang."
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Stephanie, 30 Jahre, Erzieherin:
Über mich hinauswachsen....
"Ich liebe Musik schon
seit ich denken kann. In meiner Großfamilie wurde früher viel gesungen
(Volks- und Glaubenslieder zu Familienfesten, die recht häufig
vorkamen). Zudem kann mein Vater wunderschön pfeifen, Zither und Orgel
spielen. Ich habe schon früh ein gutes musikalisches Gehör entwickelt
und habe mich als Kind bereits für klassische Musik interessiert. An
meiner Märchenplattensammlung habe ich u.A. besonders die klassischen
Klavierstücke geliebt, die die Erzählungen untermalten und so
eindrücklich eine Märchenwelt in mein Kinderzimmer zauberten.
Mein größter Kinderwunsch
war es Klavier zu spielen, und so erhielt ich mit 8 Jahren meinen
ersten Unterricht bei der "Hexe", wie ich meine Klavierlehrerin
(heimlich) nannte, einer recht alten Dame, die meines Erachtens nach
von Mal zu Mal hässlicher wurde. Jedes Mal äußerte sie den Spruch: "Du
bist mir ´ne Marke!", wahrscheinlich, weil ich ein recht fröhliches
Kind war und die Schrecken des Unterrichts mir allerlei Blödsinn
kompensierte. Ich wollte gerne bald schwierigere Stücke spielen, so
träumte ich u.a. von Beethovens "Für Elise", dass sie mir auch schon
mal als Belohnung für gutes Üben vorspielte. Das brannte jedes Mal in
meiner Seele und juckte in meinen Fingern, weil sie meinte, dafür sei
ich noch zu klein; welche Qual!! Das war sozusagen der "Tod im Topf"
für mich, weil ich wusste und spürte, dass ich viel mehr könnte als
vierhändig "Drunten im Unterland" zu klimpern, sowie unzählige Etüden
rauf und runter. Nach zwei Jahren Frust brach ich den Unterricht ab,
und nachdem ich wieder etwas Mut geschöpft hatte, suchte ich mir einen
neuen Lehrer. Dabei fiel ich leider vom Regen in die Traufe, denn der
war auf Improvisation spezialisiert und fixiert und es gelang ihm
nicht, didaktisch die Brücke zu schlagen von dem, was ich mitbrachte an
Erfahrung und dem, was er von mir wollte. Als er beim dritten Mal immer
noch nicht durchschaut hatte, dass ich mit: "Ich geb' Dir wieder 3 Töne
vor und dann mach´ste mal was draus...." einfach trotz besten Willens
einfach überfordert war, bin ich vor lauter Scham dann einfach
weggeblieben. Das war dann das Ende meiner Klavierstundenkarriere.
Leider!!! Das bereue ich heute noch. Ich habe mir dann später selber
Noten gekauft und sie mir in mühsamer Kleinarbeit (u.a. "Für Elise")
selber beigebracht. Das klappt gut, so dass Leute meinen, wenn ich sie
mal spiele, ich solle doch bitte mehr spielen, das sei ja toll – und so
gefühlvoll! – und dann muss ich leider sagen: "Tut mit leid, das ist
alles was ich kann." (wirklich alles). Das glaubt mir keiner.
Das ist lustig und frustig zugleich. Oft sitze ich vor einem Klavier
oder Flügel und würde am liebsten loslegen und mein ganzes Selbst in
diesen Kasten legen und leben lassen. Wenn ich aus dieser Not und
Sehnsucht dann mal ungestört eine Tugend machen kann, wird es meist ein
großartiges Gewittergeklimper oder anderes artverwandtes – und das
stundenlang. Das geht auch nur, wenn ich alleine bin und weiß, mich
hört niemand. Diese Hemmung vor der Öffentlichkeit bringe ich noch aus
Kindertagen mit.
Ähnlich ist es mit dem
Singen. Am liebsten singe ich, wenn ich alleine bin oder mit jemandem,
der mir da vertrautes Gegenüber ist. Ich habe erst mit 13 Jahren meine
Stimme entdeckt. Ich wurde in einen Chor eingeladen. Ich habe 13 Jahre
lang in verschiedenen Chören (regional und überregional) mitgesungen.
Meine Stimme hat dabei an Farbe und Klang gewonnen und ist so kräftig
geworden, dass ich mich im Chorverband oft zügeln musste, um nicht alle
anderen zu übertönen. Peinlich war das immer für meine Schwester, wenn
wir gemeinsam im Weihnachtsgottesdienst saßen und sie mich mit einem
drohenden Unterton anstieß und meinte: "Jetzt sing endlich leiser, die
Leute gucken schon!". Dabei nahm ich mich immer schon extra zusammen!
In den Chören durfte ich öfters Solos singen. Im Rampenlicht schnürte
sich jedoch meistens meine Kehle ziemlich zu vor lauter Aufregung. Was
alleine super klappte, versiegte im Rahmen der
Öffentlichkeit im Beben der Stimmbänder (fand ich zumindest). Das macht
mich oft unzufrieden mit mir. Ich kam einfach nicht raus aus meinem
"Gefängnis". Frei bin ich nur wirklich alleine oder wenn ich was mit
Leuten mache, wo das Singen ein wirkliches Miteinander ist. Dann werde
ich auf Flügeln davongetragen, egal wie viele da zuhören. Am liebsten
singe ich in alten Kirchen, allein für mich oder mit Freunden. Ich
liebe es wenn ich oder wir mit unseren Stimmen diese riesigen
Resonanzräume ausfüllen (Treppenhäuser sind auch toll!). Ich habe 1
Jahr neben einer romanischen Kirche gewohnt, die tagsüber offen war.
Das war ein Paradies für mich! Viele haben mich ermuntert aus meiner
Stimme etwas "zu machen". So habe ich Gesangsunterricht genommen. Das
ist nun ein halbes Jahr her. Ich weiß, dass ich ein gutes Potential
habe, und dass es Arbeit ist, es wirklich zu entwickeln. Ich konnte,
Dank meiner geduldigen Lehrerin, einige Fortschritte machen; frei kann
ich aber selbst ihr gegenüber nicht sein. Dann muss ich furchtbar
lachen, weil ich innerlich so unter Druck stehe; dabei würde ich so
gerne zeigen, was ich kann (Sie ist für mich auch wie ein kleines Stück
Öffentlichkeit). Ihre Geduld, Empathie und Hartnäckigkeit tun mir gut.
Leider ziehe ich bald um und weiß noch nicht, ob ich weiter Unterricht
nehmen kann. Was ich aber weiß, ist, dass ich mein Potential besser
kennen lernen konnte, dass aber auch noch viel unentdecktes in mir ruht
und darauf wartet geweckt und gelebt zu werden. Ich bin gespannt
darauf, es kennen zu lernen und zu leben!
Im Singen über mich
hinauswachsen heißt für mich, meine Ängste zu verlieren und im
Vertrauen auf das, was ich kann, in neue "Welten" vorzudringen. Im
Singen erlebe ich oft das Paradies auf Erden. Das gehört für mich zu
den schönsten Dingen...."
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Claudia, 29 Jahre, Arzthelferin:
"Hier ein kleiner Einblick
in meine Stimmentwicklung. Aus den Anfangszeiten kann ich Ihnen nur das
erzählen, was meine Mutter mir berichtet hat. Mit einem halben Jahr
habe ich schon angefangen zu sprechen, viel früher als meine anderen
drei Geschwister, wie meine Mutter sich erinnert. Mit anderthalb fiel
ich dann erstmals als Sängerin auf und zwar mit einer Cover- Version
von Heintjes "Mama, du sollst doch nicht...." Meine Oma muss sehr
beeindruckt gewesen sein. Sie sagte ständig zu meiner Mutter, dass sie
das gar nicht glauben könne, dass ich in diesem Alter das ganze Lied
ohne sprachlichen und melodischen Fehler rauf und runter singen könne.
Leider konnte ich sie nicht näher kennen lernen, weil sie ein halbes
Jahr später starb. Aus diesem Grund durfte ich auch nie wieder dieses
Lied in Gegenwart meiner Mutter singen. Vielleicht lag es auch genau an
diesem Erlebnis, dass ich sie mit meinem späteren Singen nie
beeindrucken konnte. – Ganz im Gegensatz zu meinem Vater. Er liebte es
geradezu mir die ganzen Heimatlieder beizubringen- Als junger Mann sang
mein Vater im Männergesangsverein (...Name des Vereins). Er war ein
guter Tenor, der viele Wettbewerbe gewonnen hat. Sein größter Stolz
aber ist der Auftritt mit (...Name des Opernsängers) im
(...Konzertsaal) zur Nachkriegszeit. Seine Augen leuchten heute noch,
wenn er darüber erzählt. Er liebte es immer zu singen, er sah dabei
immer so glücklich aus.
Als ich dann 8 Jahre alt
war und meine älteren 2 Geschwister die meisten Hitparadenstürmer mit
nach Hause brachten, entdeckte ich mein Talent für den Karaoke –
Gesang. So wurden etwa ABBA, La Bionda, und Bonney M. durch mein
stimmliches Zutun unterstützt. Mein Papa war immer mein größter Fan. Er
animierte mich ständig und lobte mich stolz. Später sagte er mir dann,
dass er mich gerne gefördert hätte, was aber durch die finanzielle
Unpässlichkeit meiner Eltern leider nicht möglich war.
Später mit 12 Jahren
bemerkte dann mein damaliger Musiklehrer meine Stimme. Damals störte
ich gerade sein Mozart– Referat mit einer Mitschülerin. Als
Retourkutsche musste ich dann vor die Klasse treten und alleine "Hoch
auf dem gelben Wagen" singen. Die geplante Schelte fand überraschend
das Gefallen meines Lehrers, als ich mich auch nicht irritieren ließ,
als er eine völlig andere Melodie am Klavier spielte. Ich sang stur
mein Lied. Nach dem Unterricht zog er mich zur Seite und fragte mich,
ob ich nicht im Schulchor mitsingen wollte. Doch zu dieser Zeit waren
die Pferde und das Reiten mein größtes Hobby. Ich liebte schon als Kind
die Freiheit und die Natur. Meine Mutter schimpfte immer mit mir. Sie
meinte, man könne mich gar nicht mehr von den Gäulen runter bekommen.
Und so lehnte ich zur Enttäuschung meines Musiklehrers den Beitritt zum
Chor ab. Viel lieber sang ich meinem Pony unter freiem Himmel etwas vor.
Mit 13 Jahren, damals war
ich gerade im Konfirmationsunterricht, gefiel dem Herrn Kaplan meine
Stimme so gut, dass er mich dazu gewinnen wollte, in den Kirchenchor
einzutreten. Doch im jugendlichen Übermut gefiel mir die Popmusik
besser als die Kirchenmusik und ich sagte ab.
Allgemein ist es wohl so,
dass das Singen für mich von Anfang an eine Art seelischer Befreiung
war, auch wenn mir das erst im Nachhinein bewusst geworden ist.
Als junge Frau verglichen
mich meine Freunde immer mit (...Name einer Schlagersängerin). Sie
liebten es, wenn ich sang und bettelten immer, ich solle bei
irgendwelchen Anlässen auftreten, wozu es mir aber immer an
Selbstbewusstsein fehlte. Gerade dieses gab mir dann mein jetziger
Freund: Andi. Ich werde nie seinen Gesichtsausdruck vergessen, als ich
ihm das erste Mal (es war an seinem Geburtstag) etwas vorsang. Ihm
schossen die Tränen in die Augen, als er sagte, er habe gar nicht
gewusst, dass ich eine so schöne Stimme habe. Von diesem Tag an
provozierte er mich ständig, ich solle doch etwas machen mit meiner
Stimme. Doch weil ich Angst hatte, zog ich mich zurück und sang nur
noch, wenn ich alleine war. So ging das ca. 3 Jahre lang. Eines Tages
ertappte er mich, als ich wieder einmal heimlich sang. Wortlos ging er
in ein anderes Zimmer. Einige Tage später lag ein Zeitungsausschnitt
mit ihrer Telefonnummer auf dem Tisch. Daneben lag ein kleiner Zettel,
auf dem stand: "Probier es! Für dich!"
Heute bin ich sehr froh
darüber, bei Ihnen angerufen zu haben. Es freut mich sehr von Ihnen
lernen zu können. Ich bewundere Ihre schöne, klare Stimme und hoffe von
Herzen, noch lange mit Ihnen arbeiten zu dürfen."
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Karin, 42 Jahre, Lehrerin
(Musik und Deutsch):
"Schon als Kind sang ich
leidenschaftlich gern – aber falsch!!! "Das
Kind kann keine Melodie halten", hieß es. Im dritten Schuljahr mussten wir einzeln aufstehen und vorsingen und
bekamen so unsere Musiknote. Ich erinnere mich genau daran, wie sehr
ich mich schämte. Zum Gesang kam ich also, weil ich nicht
(Hervorhebung der Verfasserin) singen konnte, denn meine Eltern wollten
mir helfen und gaben mich zu Frau Günther in den Kinderchor. Damals
muss ich acht Jahre alt gewesen sein. In meiner Familie wurde gern
gesungen, bei Ausflügen, auf Festen, in der Badewanne und natürlich in
der Kirche. Mein Vater sang schon als junger Mann im Bass eines
Männerchores. Die Bilder und Kritiken der Konzerte wurden in einer
Mappe gesammelt. Im Kinderchor hatte ich viel Spaß, ein besonderer
Höhepunkt war die Aufführung der Struwelpeter-
Kantate, die wir auch auf Instrumenten begleiteten. Gleichzeitig lernte
ich Blockflöte, was sicherlich der Stimmbildung zugute kam.
Nach
der
Konfirmation,
inzwischen
Gymnasiastin, war ich dann "alt genug" für
den Kirchenchor. Als zweites Instrument nahm ich das Cello hinzu und
meine Freundin und ich gaben Hauskonzerte für unsere Familien.
Ich
sang
weiterhin
in
verschiedenen Chören, auch manchmal kleinere
Solopartien. Allerdings kam ich nicht auf die Idee, meine Stimme
ausbilden zu lassen. Selbst im Studium hat es mir gereicht im Kurs
"Stimmbildung" einen Platz zu bekommen und nicht Einzelunterricht.
Mit
der
Geburt
meines
ersten Kindes im Alter von 24 Jahren, und dem zweiten
Teil meiner Ausbildung in einem entfernteren Ort endete mein
Chorgesang. Erst 16 Jahre später bekam ich wieder große Lust, in einem
Chor zu singen und ging in die "Singgemeinschaft". Die Leidenschaft für
den Gesang packte mich wieder. Eines Tages hörte ich den blinden
italienischen Tenor Andrea Bocelli und war fasziniert. Nun wollte ich
dazulernen und nahm Gesangunterricht."
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Anna, 24 Jahre, Chorleiterin:
"Wenn ich über meine
Beziehung zum Gesang erzählen will, so muss ich in meiner früheren
Kindheit beginnen. Ich bin im Jahre 1975 in Sankt Petersburg, der
zweitgrößten Stadt Russlands geboren. Meine Mutter war Deutsche, mein
Vater Russe und so bekam ich einen russischen Nachnamen, der mich vor
dem schweren Leben, wie meine Mutter es gehabt hat, schützen sollte.
Meine Eltern waren beide
Christen, was zur damaligen Zeit auch nicht selbstverständlich war,
doch sie waren fest von ihrem Glauben überzeugt, und so erzogen sie
mich auch. Dass hieß, das ich von klein auf die zahlreichen
Gottesdienste besuchte, wo sehr viel gesungen wurde und wo ich
begeistert mitsang- weil ich noch nicht lesen konnte - auswendig.
Meine Mutter konnte
eigentlich nicht so gut singen, doch wenn sie Zeit hatte, sang sie oft
stundenlang und genauso lange konnte ich ihr zuhören. Wenn sie nicht
sang, schaltete ich den Plattenspieler an und hörte mir Kindermusicals
oder Platten von populären Sängern an. Wenn die Mutter in dieser Zeit
in mein Zimmer kam, schickte ich sie fort, mit der Begründung, sie
störe mich beim Musikhören. Ich konnte ganz genau sagen, wie viel
Menschen sangen: 2, 3 oder mehr, was meine Mutter nicht hörte, und was
sie faszinierte. Und wenn man mich fragte, was ich werden will, wenn
ich groß bin, sagte ich voller Stolz: "Sängerin!"
"Soviel Talent darf doch
nicht verderben", dachte sich meine Mutter, und so fragte sie überall
nach, wer denn Beziehungen zu den besten Musikschulen der Stadt hatte.
Eines Tages, ich war fast
7, zog sie mir mein Sonntagskleid an, schärfte mir ein mich bei der
freundlichen Tante zu benehmen, und wir fuhren zu einer Lehrerin, die
mich zur Aufnahmeprüfung in einer der Elite- Schulen der Stadt
vorbereitete.
Die Prüfung bestand ich
und wurde in die Chorklasse aufgenommen. Von nun an hieß es arbeiten:
neben der "normalen" Schule, in die ich gleichzeitig eingeschult wurde,
fuhr ich fast jeden Tag eine Stunde mit dem Bus zur Musikschule. Das
Programm war sehr umfangreich: wöchentlich 4 Stunden Chorgesang, 2
Stunden Klavier und 1 Stunde Musiktheorie. Da ich fast absolutes Gehör
besitze, lernte ich sehr schnell, und es machte mir sehr viel Spaß.
Ich erinnere mich noch
genau an meine erste Chorstunde: wir, etwa 12 Kinder, standen alle in
einer Reihe und die Lehrerin hörte sich noch einmal an, wie die
einzelnen Kinder singen und wer welche Partitur übernimmt. Ich war die
letzte in der Reihe. Als ich dann endlich dran war, platzte ich
ungeduldig: "Und wo soll ich singen?!" Die Lehrerin musterte mich von
oben bis unten: "Du?! Du gehst in den Alt!"
Als wir mit der 3jährigen
Grundausbildung fertig waren, sollten wir nun einem der "großen" Chöre,
wo Kinder höherer Klassen unterrichtet wurden, beitreten. Es gab zwei
davon: "Konzertchor" für gute Sänger, der ständig unterwegs war und
viele Konzerte gab und "Lehrchor" für weniger gute. Nach einer kurzen
Prüfung, wo Dirigenten beider Chöre anwesend waren, stand fest, in
welchem ich mit meiner Ausbildung weitermachte: obwohl ich bei der
Prüfung sehr gut abgeschnitten hatte, wurde ich in den Lehrchor
aufgenommen, statt wie gehofft in den Konzertchor.
Meine Mutter war sehr
enttäuscht. Sie fragte mich die ganze Zeit, ob ich denn jemandem
erzählt habe, dass ich Deutsche oder Christ sei. Das habe ich natürlich
nicht, und wie die Lehrer es erfahren haben, wusste ich auch nicht.
Etwa zur gleichen Zeit
(mit 10 Jahren) begann ich eigene Lieder zu schreiben, die ich dann in
der Gemeinde vortrug. Natürlich war meine Mutter daran "schuld", dass
ich sie vortragen musste: Sie erzählte doch überall voller Stolz, dass
ihre Tochter so gut singt und so talentiert ist. Mein erster Solo-
Auftritt war auf einer Hochzeit, wo ich zum ersten Mal ins Mikrofon
eines von meinen Liedern gesungen habe. Ich weiß noch dass dieses Lied
einen sehr großen Umfang hatte (von a bis f") und dass ich sehr
aufgeregt war. Doch es ging alles gut, den Zuhörern hat es gefallen,
und ich musste fortan bei jeder Gelegenheit vortragen.
Mit 14 war meine
Ausbildung an der Musikschule beendet und ich begann an derselben
Schule die Ausbildung zum Musiklehrer. Im Programm war nun auch
Gesangeinzelunterricht.
In der ersten Stunde
sollte jeder sagen, welche Stimme er singt. Ich sagte: "Hallo, ich
singe Alt", worauf die Lehrerin erwiderte: "Das brauchst du mir nicht
zu sagen, ich höre es!" Als ich dann später gesungen habe, sagte sie
mir, dass ich keineswegs ein Alt bin, eher ein Sopran. Sie schlug mir
auch vor den Chor zu wechseln, was ich aber ablehnte.
Mit 15 musste ich die
Ausbildung abbrechen- wir reisten nach Deutschland aus.
In Deutschland versuchte
ich erst mal in einer der Gemeinden unseres Ortes Fuß zu fassen, doch
viel machen durfte ich nicht- es war eine sehr strenge Gemeinde, und
ich passte nicht in ihre Schubladen. Das frustrierte mich sehr, denn
singen wollte ich, ich wusste nur nicht wo. Bis eines Tages meine
Mutter, die, wie immer, jedem von ihrer begabten Tochter erzählte, mir
von einem Frauenchor erzählte, dessen Dirigentin sich für mich
interessierte. Ich sang und spielte vor und wurde aufgenommen. (Dieser
Chor gehörte übrigens zu einer anderen Gemeinde. In dieser Gemeinde bin
ich noch heute Mitglied). Diese Frau machte mich auch mit dem
Jugendchorleiter und dem Leiter einer Band bekannt, wo ich sofort
einsteigen durfte. Wieder war ich voll im Leben.
Leider sind in der
Gemeinde gute Klavierspieler notwendiger, als gute Sänger (Es wird sehr
viel nach dem Gehör gespielt- meine Spezialität), singen kann ja
schließlich jeder, und so bin ich langsam aber sicher zu einer
Klavierspielerin "mutiert", wie ich damals dachte. Ich war 17 und
wollte es allen beweisen, dass ich nicht nur spielen kann. So kam es,
dass ich mit 18 mich bei der (...) (Ortsname, die Herausgeberin)
Musikhochschule bewarb. Natürlich habe ich die Prüfung nicht bestanden
- so toll habe ich nämlich auch nicht gesungen. Ich war enttäuscht, so
enttäuscht, dass ich das Singen für ein paar Jahre aufgegeben habe.
Etwa zur selben Zeit (mit
17) wurde ich gebeten ein Mädchen im
Klavierspielen zu unterrichten. Ich hatte sehr viel Spaß dabei, und
kurze Zeit später kamen noch andere Kinder zu mir. Mein Berufswunsch
wurde fest: ich wollte Musiklehrerin werden. Doch weil ich für eine
"normale" Musiklehrerin nicht gut genug war, entschloss ich mich, mich
als Grundschullehrerin mit Musik als Nebenfach zu versuchen.
Die Aufnahmeprüfung
bestand ich ohne große Schwierigkeiten- mit einer "1" in Klavier und -
überraschenderweise- einer "1" in Singstimme. Nach der Prüfung sagte
mir meine Gesanglehrerin, dass ich die Musik auch als Hauptfach
schaffe- wenn ich Gesang als erstes Fach nehme, denn solche Stimmen,
wie die meine, kommen nicht alle Tage nach (...) (Ortsname, die
Herausgeberin. Ich bekam neuen Mut und folgte ihrem Rat.
Im Laufe des Studiums
wurde mir zunehmend klar, dass Grundschullehrerin nicht der richtige
Beruf für mich ist, zumal ich mich an der Uni im musikalischen Bereich
einfach unterfordert fühlte. So beschloss ich mein Studium abzubrechen
und weiter Unterricht zu nehmen um später meine Prüfung an der
Musikhochschule zu wiederholen."
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Rebecca, 16 Jahre:
"An meine frühesten
sängerischen Tätigkeiten kann ich mich nicht mehr erinnern. Jedoch
meine Mutter, eine Konzert- und Opernsängerin, erzählte mir bei den
Recherchen für diesen Text, ich habe als Baby häufig in gregorianischen
Tonfolgen improvisiert.
Was mein späteres
sängerisches Fortkommen ferner begünstigen sollte, war das frühe
Erlernen meiner Muttersprache (deutsch) und das außergewöhnliche
Gedächtnis im Bezug auf Texte und Melodien: mit ungefähr 2 1/2 Jahren war ich bereits
imstande die Gutenachtlektüre (Pixi- Bücher, freilich vorher 1 -2 Mal
vorgetragen) auswendig vorzutragen. So wurde die Gutenachtgeschichte
oft zu einem Dialog zwischen Zuhörer und Vorleser. Außerdem berichtete
mir meine Mutter von meinem Tongedächtnis: "schon eigentlich immer,
wenn ich meine Arien gesungen habe, hast du oft Phrasen schnell
nachsingen können."
Bis zu meinem 4.
Lebensjahr blieb es allerdings beim improvisieren und nachsingen. Doch
dann irgendwann im Sommer fingen mein Vater- er war Konzertpianist,
Sänger und Organist, sowie Klavierpädagoge (im Frühjahr hatte er
übrigens angefangen mich in Klavier zu unterrichten)- und meine Mutter
an, Partien aus "Hänsel und Gretel" von Humperdinck zu bearbeiten. Bei
den Proben stand ich immer neugierig dabei. Eines Tages begannen Mama
und Papa dann über die Besetzung der Rollen zu diskutieren. Klar, mein
Vater übernahm den Vater von Hänsel und Gretel, meine Mutter die Mutter
von Hänsel und Gretel, sowie den Hänsel, den Taumann, den Sandmann und
die Hexe. Das Problem war die Gretel, da es mehrere Duette zwischen
Hänsel und Gretel gibt. Mein Vater wollte diese Rolle dann unbedingt
übernehmen. Jeder, der schon mal einen Kontratenor gehört hat, kann
sich vielleicht vorstellen, dass ein 4jähriges Mädchen nicht besonders
darüber erbaut ist. Also meldete sich der stille, nicht beachtete Gast
zu Wort: "Ich will das machen!" Meine Eltern, ganz erstaunt über diesen
Mut, probierten ein paar Lieder mit mir aus. Von da an bekam ich
Gesangunterricht von meiner Mutter und stand als Gretel auf der Bühne
zusammen mit meiner Mutter und meinem Vater.
Ja ganz richtig, es war
eine Oper mit nur 3 Darstellern, eine Kinderoper zum Mitspielen für das
junge Publikum.
Es gab da 14 Engelein,
die während des "Abendsegens"- gesungen von den zwei Bühnen-
Geschwistern- um diese "herumfliegen" durften, sowie die stille
Verkörperung des Hänsel. Denn da meine Mutter ja auch die Hexe und die
Mutter sang, wobei aber das Geschwisterpaar vollständig anwesend sein
musste, war diese Maßnahme notwendig.
Das mag zwar jetzt alles
ein wenig tohuwabohumäßig klingen, aber es lief doch alles so gut wie
immer ohne größere Organisationsprobleme ab. Es hat auch immer sehr
viel Spaß gemacht, die Gretel zu singen, auch wenn ich schon mal
während der Aufführung ein Gähnen nicht zurückhalten konnte (denn ich
gähnen eigentlich fast ständig, ich bin überhaupt ein sehr schläfriger
Mensch).
Danke Mama, danke Papa,
dass ihr mich so erfolgreich in die wundersame Welt der Musik
eingeführt habt und so viel Geduld hattet mit mir. Es war sicherlich
nicht immer so einfach mit einer so eigenwilligen und manchmal bockigen
Schülerin. In Zukunft versuche ich mich zu ändern.
Heute, 12 Jahre nach den
ersten Bühnenauftritten, musiziere ich weiterhin unter der Anleitung
meiner Eltern. So oft die Zeit dazu vorhanden ist, bekomme ich Klavier-
bzw. Gesangstunden. Und jeden Sonntag tragen wir uns gegenseitig die
Übeergebnisse der letzten Woche vor.
Und was ist aus Hänsel
und Gretel geworden? Vor ungefähr 1/2 Jahr hat meine 5 Jahre jüngere
Schwester die Partie der Gretel übernommen und ich bin nun der Hänsel.
Meine Schwester hat mit 5 Jahren auch bereits eine kleine Rolle in "Die
Heinzelmännchen von Köln" gesungen.
Ich singe auch überhaupt
sehr viel mit meiner Schwester zusammen, wir haben auch schon Einiges
an Preisen mit nach Hause gebracht.
Was die positiven und
negativen Begebenheiten, die Einflüsse im Hinblick auf die
Selbsteinschätzung der Stimme und der sängerischen Fähigkeiten
betrifft, so kann man jetzt von einer Art Symbiose zwischen mir und
meiner Stimme und dem Klavierspiel sprechen. Aber das war nicht immer
so...
Ich wurde 1988
eingeschult, allerdings 3 Monate nachdem die reguläre Schulzeit
begonnen hatte, denn meine Eltern konnten sich zunächst nicht
entscheiden, ob es besser wäre mich "zurückzustellen" oder nicht. Also
kam ich in die 27- näsige Klasse 1 A der katholischen Grundschule
unseres kleinen Ortes. Es war das erste Mal, abgesehen von dem 1/2 Jahr
Kindergarten 3 Jahre zuvor, dass ich mit einer so großen Gemeinschaft
konfrontiert war, und das machte mich zuerst zum stillen Außenseiter.
Ein paar Monate später begann ich mich allmählich einzuleben. Aber
trotzdem war ich in der Schule ein ganz anderer Mensch als zu Hause. Zu
Hause war ich schon mal frech oder gar aufmüpfig, konnte stundenlang
musizieren. Im Sommer wartete der Garten geradezu auf ein neues
Mitglied für den Chor der Vögel. Und im Winter war das große Haus offen
für Konzerte. In der Schule hingegen war ich eher zurückhaltend. Meine
Freundinnen erzählten von ihren Eltern und dem, was sie selbst zu Hause
so machten. Ich erzählte frei heraus kaum etwas- wenn mich jemand nach
meinem Hobby fragte, antwortete ich: "Klavier....äh....Lesen...." Dass
ich auch noch sang und sogar seit meinem 4. Lebensjahr auf der
Bühne stand, war mein Geheimnis. Es gab nur sehr wenige aus meiner
Klasse, die überhaupt ein Instrument spielten. Instrument war
allerdings in der Regel das Keyboard, ich kannte keine Leute, deren
Eltern beruflich etwas mit Musik zu tun hatten. - Also hielt ich
diesbezüglich meinen Mund. Ich hatte Angst, davor, dass man mich
deswegen auslacht. Ich wollte kein "Sonderling" sein. Ich wollte auch
ganz "normal" sein. Ich kannte außerschulisch einige Kinder in meinem
Alter, die auch Klavier spielten, also war ich der Meinung, dass
Klavierspielen noch halbwegs "normal" war. Aber ich kannte keine
Menschenseele, die mit 6 schon Gesangunterricht hatte. Einmal kam eine
so genannte "Freundin" zu mir nach Hause und fragte dabei meine Mutter
auch nach dem Beruf von ihr und meinem Vater, worauf sie dann auch die
Wahrheit erfuhr. (Ich hatte immer herumgedruckst: "äh....Lehrer....").
Zwei Tage später erfuhr
ich durch dritte, sie habe gelästert: "Iiih, die Rebecca wird von ihren
Eltern unterrichtet und wenn sie was falsch macht, wird sie sofort
geschlagen. Und wenn sie bis 8 Uhr abends etwas nicht kann, dann darf
sie am nächsten Tag nicht in die Schule und muss den ganzen Tag ohne
Pause Klavier üben. Deswegen ist sie so oft nicht da. Und die ganze
Familie ist ja sooo arrogant!" - Nun wusste ich woran ich war....
Zwar stimmte es, dass ich
oft fehlte, aber ich war bis zu meiner Mandeloperation 1996 häufig
krank. Danach besserte sich meine Anfälligkeit.
Meine Mutter sagte zu der
Zeit in der Grundschule und noch bis 1996 immer zu meinem Vater: "Sie
kaut auch ständig auf ihren Fingernägeln herum. Das machen nur Leute,
die wenig Selbstbewusstsein haben."
Ich weiß zwar nicht
genau, wodurch es ausgelöst wurde, aber vor ungefähr zwei Jahren-
ungefähr zu der Zeit, als ich mich in der Clique eingelebt hatte und
ich auf Verständnis und Bewunderung, Respekt stieß, hörte ich auf, an
den Fingernägeln zu kauen und ich konnte mit Stolz sagen: "Hey Leute,
ich singe, ich spiele Klavier, seht her ich lebe mit der Musik. Ich bin
von Kopf bis Fuß auf Musik eingestellt, und sonst (fast) gar nichts."
Und ich wurde verstanden. Es war als wäre ich kurz vor dem Ersticken
gewesen und hätte plötzlich wieder atmen können."
|
Christina, 12 Jahre:
"Ab August 97 bekam ich
meinen ersten Gesangsunterricht. Ich sang und singe sonst auch sehr
viel wenn ich alleine bin. Nein, keine Lieder, die ich schon kenne oder
so etwas, sondern ich singe frei aus mir heraus. Das war schon immer so.
Die Familie meines Vaters
war sehr unmusikalisch. Mit Ausnahme einer Tante, die ich leider nicht
mehr kennen gelernt habe. Sie war Pianistin.
Die Familie meiner Mutter
ist sehr musikalisch. Fast alle waren im Kirchenchor. Meine Oma singt
bei der Hausarbeit, unter der Dusche und sonst sehr oft Kirchenlieder.
Genau wie ich. Nur mit
dem Unterschied, dass ich keine Kirchenlieder singe.
Meine Mutter erzählte
mir, dass ich sehr früh sprechen konnte.
Beim Zubettgehen sang sie
mir immer Schlaflieder vor. Auch Tags über sang sie viel mit
mir. So kannte ich viele Lieder. Mit 2 Jahren schon konnte ich alle
Lieder mitsingen (mehrere Strophen mit Text und Melodie).
In der Weihnachtszeit war
das besonders schön. Mama erzählte mir, dass ich im Advent, bei den
ersten Weihnachtsliedern manchmal Tränen in den Augen hatte.
An den Adventssonntagen
wird in unserer Familie immer gesungen. Heilig Abend kommt unsere
Familie zusammen und Angelika und ich geben ein kleines Klavierkonzert.
Nächstes Mal werde ich auch etwas singen.
In der Schule habe ich
auch immer gerne mitgesungen. Die Melodie konnte ich immer gut
behalten. Als wir in der Schule einen Kanon gesungen haben, war die
Gruppe, in der ich war, sehr gut. Die Andere kam immer wieder aus dem
Takt. Dann setzte mich meine Lehrerin in die andere Gruppe. So klappte
alles sehr gut.
Da ich ständig singe (und
das sehr laut) sagte meine Mutter ich höre mich an wie eine
Opernsängerin. Sie hat mich gefragt, ob ich nicht eine
Gesangsausbildung machen möchte. Jetzt, wo ich ca. 1 Jahr in der
Ausbildung bin, versuche ich auch schwierigere Lieder mit zu singen,
wenn ich eine CD höre. Manchmal habe ich so viel Luft, dass ich die
langen Töne halten kann. Dann nur nicht so laut.
An manchen Tagen bin ich
sehr erschöpft. Dann fällt mir das Singen sehr schwer. Und ich komme
schnell ins Schwitzen. An manchen Tagen ist das gar nicht so. Dann
macht mir das Singen großen Spaß.
Meine Mutter sagt immer,
dass ich eine sehr schöne Stimme habe. Doch ich finde meine Stimme gar
nicht so toll. Wenn ich meine Stimme mit Ihrer (Martina Vormann)
vergleiche, dann höre ich einen riesen Unterschied. Ihre
Stimme ist tausendmal schöner.
Das sage ich auch immer
meiner Mutter. Doch die sagt nur: "Die Frau Vormann hat ja auch eine
fertig ausgebildete Stimme!" Und damit muss ich ihr auch recht geben."
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Julia, 11 Jahre.
"Ich kann mich gerade noch
erinnern an die Zeit als ich 3 oder 4 Jahre alt war. Damals hüpfte ich
singend durch die Blumenwiese. Wenn Frühling war, roch ich den Duft der
Knospen, dann freute ich mich so sehr, dass ich singen musste. Meine
Mutter hat mir erzählt, dass ich als mein Vater einmal sehr laut
gesungen hatte, anfing zu weinen.
Eines Tages sagte meine
Mutter zu mir: "Nun gebe ich Dir Gesangstunden."
Meine Mutter
unterrichtete mich fast jeden Tag und bald durfte ich in der Oper
"Hänsel und Gretel" mitsingen. Ich sang einen Engel. Das machte mir
viel Spaß. Als ich 10 Jahre war, machte ich zum ersten Mal bei einen
Wettbewerb mit und gewann den 1. Preis. Danach sang ich mit meiner
Schwester noch bei verschiedenen anderen Wettbewerben, wo wir auch
Preise gewannen. Mein Vater unterrichtet mich im Klavierspielen. Das
mache ich auch sehr gerne. Besonders schön finde ich es mit meiner
Schwester oder Freundinnen zusammen mehrstimmig zu singen."
|
Elke, 30 Jahre, Studentin:
"Ich muss etwa 7-8 Jahre gewesen
sein; ich hatte einen kleinen Kassettenrecorder mit dem ich sicher 10
mal hintereinander den gleichen Popsong abspielte und lauthals
inbrünstig mit sang. Schon damals träumte ich davon Sängerin zu sein,
wie vielleicht viele kleine Mädchen. Ich bin aufgewachsen in einer
Gaststätte, die meine Eltern in der 2. Generation betrieben. Ich kann
mich erinnern, dass Musik meist aus der Konserve kam, schon morgens
wenn meine Mutter mit den Vorbereitungen beschäftigt war und natürlich
zur "Beschallung" der Gäste. Ich war an der reichhaltigen
Plattensammlung, die mein Vater in den Jahren zusammengetragen hatte
schon früh interessiert und habe mir oft Musik nach meinem Geschmack
aufgelegt. Natürlich gab es da zum großen Teil Schlager, aber mein
Vater interessierte sich auch für anspruchsvolleres, wie Jazz und
Operettengesang. Ihm ging so manche Melodie ans Herz und er konnte sich
auch für ausgefallene Instrumentalpassagen begeistern. Bei den
Nachforschungen für diesen kleinen Aufsatz erfuhr ich, dass mein Vater
als Kind beim Küster Klavier gelernt hat. Leider hatte er aber keine
sehr große Ausdauer, so dass er irgendwann aufgab, was er später bereut
haben soll. Sein Vater, also mein Großvater, spielte selbst Klavier (es
stand in der Gaststätte ein Instrument) und sang dazu zu gegebenen
Anlässen (Hochzeiten), wie es früher üblich war. Darüber hinaus sang er
leidenschaftlich gerne in Kirchenchor. Auch mein Vater hätte gerne im
Kirchenchor gesungen, aber mit den Jahren kamen gerade an den
Wochenenden, wenn der Chor probte immer mehr Gäste, so dass er nicht
gehen konnte, denn das Geschäft hatte immer Vorrang.
Dann gab es noch eine Großtante,
die Tante meines Vaters. Sie habe ebenfalls im Kirchenchor mitgesungen
und zu festlichen Anlässen solo gesungen. Sie soll eine so schöne
Stimme gehabt haben, dass man ihr immer wieder nahe gelegt habe sich
beruflich in dieser Hinsicht ausbilden zu lassen, aber dazu kam es
nicht. Sicher war das damals zu teuer oder "zu weit weg".
Ansonsten wurden in unserer
Gaststätte viele Treibjagden gefeiert, dann sangen die Männer, oft bis
zu 50 Personen, Jagdlieder. Die Lieder entsprachen zwar nicht meinem
"jugendlichen Geschmack", das Zusammen Singen aber beeindruckte mich
doch.
Als Grundschülerin mit etwa 7-8
Jahren ging ich dann in einen Kinderchor, den die Frau des Küsters in
unserer Kirchengemeinde leitete. Ich hatte viel Spaß am Singen, aber
leider kommunizierte ich auch sehr eifrig mit meinen Chorschwestern,
was mir das Leben im Chor erschwerte und die Ungunst der Leiterin
einbrachte. Ich bin dann irgendwann ausgetreten. Bis zu meiner nächsten
gesanglichen Tätigkeit habe ich etwas Gitarrenunterricht genommen. Dann
mit etwa 12 Jahren ging ich in den katholischen Jugendchor. Ich habe
diese Zeit als sehr schön und intensiv in Erinnerung. Wir waren etwa 20
Jugendliche darunter mind. 8 männliche Mitstreiter. Wir sangen die
üblichen christlichen Lieder, die zum Repertoire eines Jugendchores
gehören, darüber hinaus aber auch hin und wieder klassische Stücke. Ich
habe mich in diesem Chor sehr wohl gefühlt und ging wirklich im Singen
auf, ganz besonders bei Auftritten, wenn sich alle viel Mühe gaben. Dann war der Gesang eine Einheit, die
auch bei mir immer wieder ein Gefühl von Einheit auslöste. Ich war dann
oft zu Tränen gerührt.
Mit Freundinnen aus dem Chor
habe ich dann oft zusammen geübt und uns mit der Gitarre begleitet, da
waren wir sehr eifrig. Ich hatte schon damals immer Ambitionen solo zu
singen, nur leider war die Solostelle schon mit der Chorleiterin
besetzt, und außer ihr sangen nur "schräge" Bässe solo.
In der Zwischenzeit hatten mir
Freunde meiner Eltern ein Klavier geliehen und dann habe ich Unterricht
genommen und mit Begeisterung gespielt. Leider musste ich das Klavier
aus "dekorativen" Gründen bald zurückgeben.
Mit 17 bin ich dann aus den Chor
ausgetreten, ging zum Gymnasium und habe in diversen Bands etwas
gesungen. Aber leider war ich mir meiner stimmlichen Fähigkeiten immer
sehr unsicher. Mir fehlte einfach der Mut ohne den schützenden Rahmen
eines Chores alleine zu singen.
Meine Umwelt bemerkte zwar meist
lobend ich habe eine schöne Stimme und solle doch etwas daraus machen,
aber ich hatte nicht genügend Selbstbewusstsein. In meinem
Bekanntenkreis gab es immer einige Leute, die etwas mit Musik zu tun
hatten, und manchmal haben wir auch etwas zusammen gespielt und ich
habe dazu gesungen, doch ich habe einen großen Teil der Zeit mit
Kichern verbracht. Es fiel mir schwer ernst zu nehmen, was mir
eigentlich so wichtig war. Das klingt paradox, aber irgendwie wenn es
daran ging zu singen wurde ich ganz aufgeregt und dachte: "ich muss
jetzt ganz toll sein", der Druck wurde größer und dann war es mir
peinlich mein innerstes nach außen zu kehren. Denn das tut man mit der
Stimme ja irgendwie.
Zumindest hatte ich immer das
Gefühl, wenn ich singe offenbare ich jedem mein Innerstes, meine Seele.
Und davor hatte ich scheinbar Angst. Sicher waren da Ängste über
mögliche Reaktionen.
Auf jeden Fall hielten mich
diese Ängste davon ab, überhaupt noch zu singen. Ich tat zwar immer den
Wunsch zu singen kund, sang aber nicht und hoffte im Stillen
irgendjemand müsse mich entdecken.
Nachdem mich dann jahrelang
niemand entdeckt hatte, wie man sich unschwer vorstellen kann, habe ich
dann mit 25 Jahren meinen ersten Gesangsunterricht genommen. Über
meinen ehemaligen Freund, der Jazztrompete an der Folkwang- Hochschule
in Essen studierte habe ich eine ebenfalls dort studierende
Jazzsängerin kennen gelernt und bei ihr Unterricht genommen.
Wir haben ein paar Pop- und
Jazzstücke geübt aber, wie ich heute sagen muss, ohne Struktur, Ziel
oder roten Faden bzgl. der Technik. Nach 11/2 Jahren habe ich in dieser
Art des Unterrichts keinen Sinn mehr gesehen und habe aufgehört.
Zudem hatte ich den Eindruck,
dass wegen des geringen Altersunterschiedes zu viele Projektionen
stattfanden. Und mir wurden bestimmte Grenzen gesetzt, wo ich
eigentlich Förderung gebraucht hätte.
Nach einer ca. 1-jährigen Pause
habe ich dann den Mut gefasst mich für das Nebenfach Musiktherapie an
der heilpädagogischen Fakultät zu bewerben. Für die Aufnahmeprüfung
habe ich dann Gesangsunterricht bei Frau Martina Vormann genommen, der
mir bis jetzt sehr viel Freude macht. Irgendwie habe ich mich
erfolgreich mit diesem Schachzug selbst überlistet. Ich habe so getan,
als ob es mir nicht so wichtig sei und konnte so das fachkundige Urteil
ohne "Nervenzusammenbruch" erwarten. Ich hatte natürlich Sorgen, dass
man mir sagen würde, ich sei für das Singen ungeeignet. Doch zum Glück
ist dem nicht so.
Zurzeit erfreue ich mich an dem
Klang den ich erzeugen kann und bin immer wieder erstaunt, wie die
richtige Technik wahre Klangwunder erzeugen lässt. Ich hoffe noch viel
zu lernen und mir noch selbstverständlicher zu genehmigen, dass mir das
Singen Freude macht und ich damit Raum einnehmen darf."
|
Adelheid, 42 Jahre, Chemikerin:
"Gesungen wurde bei uns
immer; vor allem meine Mutter hat meinen beiden Geschwistern und mir
von Kindheit an die verschiedensten Kinder- und Volkslieder beigebracht.
Gesungen wurde bei uns an
Festtagen (wie natürlich Weihnachten); bei der Hausarbeit, bei der
Gartenarbeit, bei der Fahrt in den Urlaub im Auto (eine Fahrt bis zum
Urlaubsort – meist in die Berge – Dauerte bei uns oft 2 –3 Tage, da wir
Autobahnen möglichst mieden und unterwegs vieles besichtigt wurde),
beim Wandern mit der Familie.....
Wir haben unberührt von
jedem Gedanken an eventuelle Gesangstechniken gesungen. Meine Mutter
sang oft die so genannte 2. Stimme ("Schusterterz") zu unseren Liedern.
Was meine Vorfahren
betrifft, so weis ich, dass meine Eltern in ihrer Jugendzeit (vor allem
meine Mutter intensiv) in (kirchlichen) Jugendgruppen gesungen haben,
und zwar alte Volks- und Kirchenlieder, manchmal auch mehrstimmig. Ich
habe noch ein Buch, in dem meine Mutter die damals gesungenen Liedergesammelt hat, sowie
mehrere gedruckte Liederbücher. Ein Onkel mütterlicherseits hatte den
Berufswunsch Sänger zu werden; eine entsprechende Ausbildung wurde ihm
aber verwehrt; es hieß dass dies bei 10 Kindern (mein Opa war Arbeiter
in einer Schuhfabrik) finanziell nicht möglich sei und er etwas lernen
solle, womit er Geld verdienen könne. Unter dieser Entscheidung hat er
wohl sein ganzes Leben lang gelitten.
Musiziert wurde bei uns
nicht sehr intensiv. Mein Vater hat in seiner Jugendzeit Gitarre
gespielt, später aber nicht mehr. Ich bekam in der Volksschulzeit eine
Melodika geschenkt und hatte Blockflöten (C- und F- Flöte). Die
Musiklehrerin in der Schule (Gymnasium) sagte meinen Eltern, dass wir
ein Instrument lernen sollten, daraufhin erhielt ich ein wenig
Blockflötenunterricht (von derselben Lehrerin, jeweils ca. 10 Minuten
nach dem Musikunterricht).
Musik gehört haben wir
fast nur aus dem Radio (und in der Kirche beim Gottesdienst). Meine
Mutter hat sonntags gerne Sendungen mit Opernmelodien spielen lassen
(meistens um die Mittagszeit); wir haben die Sopranarien so
kommentiert, dass die Sängerinnen sicherlich Hunger haben müssten.
Einen Plattenspieler gab es erst, als ich ca. 12 – 13 Jahre alt war.
Gesungen habe ich damals
von der 2. Klasse des Gymnasiums an im Schulchor. An Gesangstechnik
wurde uns damals nichts geboten, ich habe jedenfalls nichts in
Erinnerung. Erinnern kann ich mich, dass mir ab und zu gesagt wurde,
ich würde zuviel mit der Halsstimme singen und ich solle mich bemühen,
mehr mit der Kopfstimme zu singen; diese Kritik hat mir aber nie die
Freude am Singen nehmen können. Bei der Hochzeit unseres Klassenlehrers
mit unserer Turnlehrerin habe ich auch einmal in einer kleineren Gruppe
gesungen; es handelte sich um einen lateinischen Kanon (3– stimmig,
jede Stimme jeweils doppelt besetzt).
Ansonsten gab es in
meiner Kindheit niemanden in erreichbarer Nähe, der mich musikalisch
hätte weiter fördern oder den Wunsch danach in mir hätte wecken können.
In meiner Jugendzeit dann
(ab ca. 13 Jahren) hatte ich dann den Wunsch nach einem
Musikinstrument; ich hätte gerne Harfe spielen wollen, habe mich aber
erst einmal mit einer Mundharmonika begnügt. Einige Zeit später (ca. 2
Jahre) bekamen wir dann kurz hintereinander 2 Klaviere geschenkt,
woraufhin erst mein Bruder und dann auch meine Schwester und ich etwa 2
Jahre lang Klavierunterricht erhielten. Mein Bruder hatte einen guten
Lehrer (...) und konnte schon bald erste Erfolge vorweisen, verlor aber
dann die Lust und lernte Oboe, dann Saxophon, Gitarre und Schlagzeug
und spielte in einer Schülerband. Einer seiner damaligen Mitspieler ist
mittlerweile bekannt als Jazz- Pianist, ein anderer ist ebenfalls
Musiker geworden (Zusatz d. Verfasserin). Mein Bruder hat sich
damals wohl auch überlegt, ob er nicht Musik studieren solle; seine
Entscheidung, eine Laufbahn als bildender Künstler einzuschlagen, war
aber sicherlich richtiger. Sein Sohn (20 Jahre alt) hat
jetzt allerdings die musikalische Laufbahn eingeschlagen, er hat ein
Musikstudium in (....) aufgenommen(...).
Meine Schwester und ich
hatten damals keinen besonders attraktiven Klavierunterricht, uns
fehlte auch der nötige Ehrgeiz. Ich wollte damals lieber Geige spielen
(nachdem meine Musiklehrerin in der Schule mal eine mitgebracht hatte),
meine Schwester Querflöte. Dann hörte ich, dass man an der Schule
meines Bruders Musikinstrumente ausleihen konnte. Ich bat meinen Bruder
ohne Wissen meiner Eltern) eine Geige auszuleihen, die er mir dann gab.
Ich versuchte dem Instrument einige vernünftige Töne zu entlocken
(allerdings erst mal ohne Bogen) und schaffte es die berühmten Stücke
"Alle meine Entchen" sowie "Hänschen klein..." halbwegs erkennbar zu
zupfen. Diese präsentierte ich dann meinen Eltern. Ich muss wohl
überzeugend (und eigensinnig) genug gewesen sein, so dass man dann
versuchte, jemanden ausfindig zu machen, der mir Unterricht geben
könnte. Mit 17 Jahren habe ich dann mit dem Unterricht angefangen. Dann
kam allerdings ein Jahr später das Abitur, dann das Studium usw.; kurz
und gut, allzu viel war mit meiner Geigerei nicht los. Ich habe dann im
damaligen Studentenorchester gespielt (die letzte Geige), später aber
das Geigenspiel ganz aufgegeben. Im Chor gesungen habe ich
nach Beendigung der Schule erst wieder ca. 3 Jahre später, als mich
eine Kommilitonin für den (....) Singkreis in (....) anwarb. Dies war
ein Laienchor, alle Generationen waren vertreten. Man sang Volkslieder
bei verschiedensten Anlässen (Hochzeiten, Weihnachtsfeiern, Tag der
Heimat, etc.) der Chor wurde zu solchen Anlässen immer wieder gerne
eingeladen und gehört.
In der Zeit seit meinem
Gesang im Schulchor muss sich meine Stimme verändert haben; von der
Schule her kann ich mich an die Kritik bezüglich meiner "Halsstimme"
erinnern, im Chor wurde meine Stimme gelobt. Auch hat der Chorleiter
später meine "Werberin" und mich bei Auftritten jeweils für kleine
Duette herangezogen – sie sang Sopran und ich Alt. In diesem Chor war
ich etliche Jahre, auch noch nach meinem Diplom. Ende 1989/1990 habe
ich dann auch dieses aufgegeben /wie damals alle meine sonstigen
Aktivitäten auch), als ich mich selbständig gemacht hatte und meine
diversen Probleme anfingen. Damals war mir auch an mir selbst
aufgefallen, dass ich früher oft vor mich hin gesungen habe (nicht in
der Dusche) und dieses nun nicht mehr tat.
Nach einigen Jahren
Funkstille habe ich dann beim Zahnarzt ein Programm der VHS (Name
geändert) in die Hand genommen und darin geblättert. Dabei fiel mir
unter der Rubrik "Musik" ein dort angebotener Kurs "Stimmbildung für
Gesang" ins Auge, für den ich mich angemeldet habe. Daraufhin wollte
ich auch wieder einen Chor suchen, weil ich merkte, dass mir das Singen
– auch in der Gemeinschaft – doch sehr fehlt. Einige Zeit später zeigte
mir dann meine damalige Vermieterin eine Annonce in der Zeitung. (Es
wurden Mitglieder für einen neu gegründeten Chor gesucht).
Zusammenfassend kann ich
sagen, dass es in meiner Kindheit und später keine dramatischen oder
gar traumatischen Ereignisse im Zusammenhang mit Gesang gab. Ich hätte
sicherlich mit kompetenter Anleitung mehr mit meiner Stimme machen
können. Dazu fehlte es aber zum einen an einer entsprechend kompetenten
Person in meinem Umkreis, die mich hätte fördern können; oder zumindest
hätte es jemanden oder etwas geben müssen, der oder das mich auf den
Gedanken hätte bringen können, dass es noch andere Wege gibt, so dass
ich meine Eltern entsprechend hätte "bearbeiten" können. Ich habe
damals eben nicht mehr darüber gewusst und dementsprechend auch nicht
mehr gewollt."
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Jane, 50 Jahre, Sekretärin:
"Ich wurde im März 1948
in Westfalen geboren. Wir wohnten in der Kreisstadt des Ennepe- Ruhr-
Kreises in einem Mehrfamilienhaus auf der 4. Ebene.
Mein Großvater
väterlicherseits besaß zu Hause ein Harmonium. Er spielte auch in der
Kirche.
Wenn wir ihn besuchten,
saß ich auf Opas Schoß und machte "Musik". Dazu haben wir zwei dann
gesungen. Als mein Opa starb (ich war 4 Jahre) bekamen wir das gute
Stück. Von uns spielte zu dieser Zeit keiner ein Instrument.
Mit 6 Jahren bekam ich
Blockflötenunterricht. Als ich 7 Jahre alt war konnte ich ca. 2 Jahre
wegen eines Unfalls nicht spielen.
Gesungen haben wir in der
Familie immer. Ob beim Autofahren oder bei Familienzusammenkünften.
Mein Vater sang Bass, meine Mutter Sopran und mein Bruder (er hatte
eine klare Tenorstimme) brachte uns dann aus dem Konzept. Er hörte
nicht, was er sang oder was andere sangen. Seine Kinder spielen heute
Geige, Bass, Klavier und Orgel und singen beide im Chor.
Meine Eltern, meine
Tanten und mein Onkel sangen im Chor. Meinen Bruder konnten sie dort
nicht gebrauchen.
Als ich 9 Jahre alt war,
spielte ich auf dem Harmonium ein Lied mit 5 b zweistimmig. Meinen
Eltern gefiel das so gut, dass sie meinen Klassenlehrer (er war auch
Musiklehrer) baten, uns zu besuchen um sich mein Spielen anzuhören. So
wurde beschlossen, dass ich Klavierunterricht bekam.
Ich fand ihn ziemlich
streng. Sah ich beim Spielen öfter auf die Tasten als nötig, wurde ein
Tuch darüber gedeckt. In der Schule im Musikunterricht, musste ich dann
mit ihm vierhändige Klavierstücke vorspielen. Ich konnte vor nassen
Händen und rotem Kopf oft keinen klaren Gedanken fassen. Nach ca. 4
Jahren habe ich zum Leidwesen meiner Eltern mit dem Unterricht
aufgehört. Meine Mutter wollte, dass ich Klavierlehrerin werden sollte.
Im Schulchor, dieser
wurde auch von unserem Musiklehrer geleitet, habe ich 5 Jahre die 3.
Stimme gesungen.
Mit 13 Jahren musste ich
in der Kirche Harmonium spielen. Das habe ich von 1961 bis 1968
ausgeübt.
Mit 14 Jahren, nach
meiner Konfirmation, sang ich im Kirchenchor die Altstimme.
1969 verzog ich in den
Rheinisch- Bergischen Kreis. Dort hatten wir eine kleine Wohnung bei
den Schwiegereltern. Das Klavier wurde entsorgt und eine zweimanualige
Farfisa Orgel angeschafft. Bis 1980 habe ich dann nur noch gelegentlich
gespielt.
Von 1980 – ich war 32
Jahre – bis 1995 spielte ich hier am Ort in der Kirche auf einer
Computer- Orgel.
Das Singen im Chor hat
mir bis heute immer Spaß gemacht. Leider hatten wir in den letzten
Jahren einen Dirigenten, der das leise Singen bevorzugte. Ich musste
mich in der Tonhöhe und der Lautstärke an die Sopranstimmen anpassen.
Mit der Zeit wurde ich immer unsicherer und mein Hals war beim Singen
wie zugeschnürt. Wenn ein Lied mit Altsolo gesungen werden sollte,
bekam ich schon beim Ansehen des Liedes Herzklopfen bis zum Hals und
vermasselte dann die Solostelle. Da habe ich mir gedacht, so kann es
nicht weitergehen und beschloss Gesangunterricht zu nehmen. Den
Unterricht begann ich 1997. Dank meiner Lehrerin kann ich jetzt wieder
freier Singen."
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Rosemarie, 48 Jahre,
Krankenschwester:
"Im Alter von 3-6 Jahren
sang ich mit meiner Mutter Kinderlieder und lernte Singspiele im
Kindergarten. Ansonsten hatte ich keine musikalische Aus- und
Weiterbildung. Etwa im 5.-7- Schuljahr wurde in der Schule;
(Anm. d. Verfasserin) ein Blockflötenunterricht angeboten. Einfache
Übungen und Notenlesen wurden vermittelt. Bei Familienfeiern wurde
gelegentlich gesungen, Akkordeon und Mundharmonika gespielt. Eine
musikalische Ausbildung von Familienangehörigen ist mir nicht bekannt.
Viel gesungen wurde dann in den weiterführenden Schulen (von
Ordensschwestern geleitet), begleitet mit Gitarre und Klavier. Dann hatte
ich (Anm. d. Verfasserin) viele Jahre keinen Bezug zum Singen."
Kurze Stellungnahme zu
positiven / negativen Einflüssen und Begebenheiten: "Eigentlich habe
ich schon immer gerne gesungen, aber von vielen Personen wurde mir dann
auch gesagt: du singst viel zu tief, keine schöne Stimme, u.s.w.
Umso mehr bin ich eigentlich erstaunt, dass ich ganz gut hoch singen
kann.
Der Entschluss die
eigenen Stimme ausbilden zu lassen entstand, nachdem sich in unserer
Gemeinde ein Frauenchor zusammengeschlossen hatte. Da ich jedoch kein
Zutrauen zu meiner Stimme hatte (habe) begann ich mit dem Unterricht
bei Frau Vormann. um dann mit einer etwas gefestigteren Stimme einem
Chor beitreten zu können.
P.S.: Unsere 3 Kinder
haben wir musikalisch ein wenig gefördert mit musikalischer
Früherziehung und jetzt einem Instrument nach Wunsch: Akkordeon /
Trompete / Querflöte.
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